Ein Treffen zwischen Franziska Donner und der Autorin Soonae Lee-Fink

Ein Treffen zwischen Franziska Donner und der Autorin Soonae Lee-Fink

Soonae Lee-Fink hatte noch die Ehre, Franziska Donner-Rhee persönlich kennen zu lernen. In ihrem Buch beschreibt Soonae Lee-Fink das Treffen folgendermaßen:

„Ich war an einer Tafel angekommen, auf der zwei Wegweiser an­gebracht waren. Links führte der Weg zum Sogakdang, wo das erste Kabinett Syngman Rhees untergebracht gewesen war, und rechts ging es zum Hauptgebäude. Ich blickte nach links und sah, etwas höher gelegen, ein kleines Holzhaus. Da ich zuerst Frau Rhee treffen wollte, nahm ich die Abzweigung nach rechts. Franziska Donner-Rhee begrüßte mich mit einer Gartenschere in der Hand.

„Grüß Gott, Soonae, ich freue mich, dich wiederzusehen!“

In ihrem Hanbok und mit zwei um den Kopf gewundenen Zöp­fen sah sie aus wie eine koreanische Großmutter.

„Grüß Gott, Frau Rhee. Wie geht es Ihnen?“

„Gut, im Großen und Ganzen. Ich fühle dieser Tage aber auch, dass ich älter und schwächer geworden bin. Ich warte auf den Zeitpunkt, an dem ich meinen Mann wiedersehen werde.“ Sie mache eine kleine Pause und lächelte vergnügt. „Aber wir hat­ten uns doch in Innsbruck auf Fanny geeinigt?“

Sie lachte bei diesen Worten. Als ich ihr die Hand schüttelte, be­merkte ich, dass sie seit unserem letzten Zusammentreffen in Innsbruck deutlich gealtert war.

„Dieser Hanbok steht Ihnen ausgezeichnet. Ich sehe Sie heute zum ersten Mal in traditioneller koreanischer Kleidung.“

„Den Hanbok trage ich zu Hause immer. Dem Doktor hat im­mer gefallen, mich darin zu sehen.“

„Darf ich Ihnen einen kleinen Gruß aus Österreich überreichen - österreichische Schokolade.“

„Danke, das ist sehr lieb von dir. Ich liebe Schokolade. Bitte, komm herein.“

Francesca wohnte noch in dem alten Gebäude, das auch als Ge­denkstätte des ersten Präsidenten benutzt wurde. Ihr Adoptiv­sohn Insoo Rhee lebte mit seiner Familie in einem modernen neuen Haus. Seine Adoptivmutter hätte zu ihm ziehen können, wollte aber in dem alten Haus bleiben. Sie sagte, dass der Ge­ruch in dem Haus ihr helfen würde, die Erinnerungen an Syng­man zu bewahren.

Im Hauptgebäude schien die Zeit seit 1960 stillgestanden zu sein. Dr. Rhee hatte sein Privathaus nie renoviert. Obwohl es erst Oktober war, bemerkte ich beim Eintreten die kühle Luft des Innenraums. Die Heizung war ausgeschaltet.
Als wir im Haus waren, bot mir Fanny Tee an, ich aber wollte vorher die Ausstellung in dem kleinen Museum besichtigen. Die Neugierde war einfach zu groß.


„Dann trinken wir nachher Tee und ich zeige dir, was wir an Erinnerungen an den Doktor hier zusammengetragen haben. Komm mit.“
Die Mehrzahl der Zimmer war zu Ausstellungsräumen umfunktioniert worden. Das Wohnzimmer zum Beispiel war im Originalzustand erhalten. Die alten Möbel, Telefongeräte und Schreibmaschinen galten mittlerweile als Antiquitäten.
„Die Schreibmaschine war bei uns das wichtigste Gerät. Wir haben sie nicht nur zu Hause benutzt, sondern auch auf allen unseren Reisen. Ich habe darauf viele wichtige Dokumente getippt.“

 

Ich hatte schon gehört, dass Franziska für Syngman auch als Sekretärin gearbeitet und selbst noch als First Lady für ihn wichtige Schriftstücke auf Englisch getippt hatte. In den Schauräumen war auch umfangreiches historisches Fotomaterial zu sehen sowie verschiedene Kleidungsstücke des Ehepaars Rhee, handgeschriebene Briefe und andere persönliche Gegenstände. Auffällig war für mich, dass die meisten der Einrichtungsgegenstände wohl auch ursprünglich, als sie neu angeschafft wurden, keine Luxusgüter gewesen waren.
Neben den Ausstellungsräumen benutzte Franziska nur noch das Schlafzimmer und die Küche in ihrem alltäglichen Leben. Sie schlief auf einem alten Bett, und die Räume waren sehr einfach, geradezu spartanisch eingerichtet. Offenbar war sie eine sparsame und sehr selbstständige alte Dame.


„Soonae, hast du jemals die Stimme meines Mannes gehört?“
„Selbstverständlich. In meiner Kindheit habe ich sie oft im Radio gehört.“
„Pass auf, ich werde dir etwas vorspielen.“
Sie schaltete ein altes Tonbandgerät ein. Am Anfang hörte ich nur ein Knistern, dann aber deutlich die Stimme von Dr. Rhee: „Ich bin Rhee Syngman. An meine 32 Millionen Koreaner richte ich diese Botschaft.“ Die Stimme war wirklich die seine. Langsam stiegen Erinnerungen aus meiner Kindheit auf. Fernseher hatte es damals noch sehr selten gegeben, das bevorzugte Medium des einfachen Volkes war das Radio gewesen. Ich erinnerte mich, dass es auch einen Radiosprecher gegeben hatte, der die Stimme von Dr. Rhee gut imitieren konnte. Nach dessen Tod spielte der Imitator diese Rolle weiter und blieb damit noch lange populär.


Während ich die Stimme des Präsidenten hörte und mich an vergangene Zeiten erinnerte, kam Franziska mit einem Quittentee aus der Küche.
„Wann wurde das aufgenommen? Ich vermute vor 1945?“
„Es war ein Jahr, nachdem die Japaner Pearl Harbour bombardiert hatten. Im Jahr 1942.“
Sie kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu erinnern.
„Es muss im Juni gewesen sein, nachdem die US-Navy in Midway gegen Japan eine Schlacht gewonnen hatte. Die Sendung wurde von den Amerikanern in Ostasien ausgestrahlt. Syngman hielt eine Ansprache an das koreanische Volk.“

Mit leiser Stimme zitierte sie seine Worte: „An meine 32 Millionen Koreaner richte ich die Botschaft: Das ist die Unabhängigkeitserklärung, der erste Schritt in die Freiheit, für euch und für alle anderen Völker, die jetzt noch unter der Knute der japanischen Unterdrückung leiden.“


Dieser Besuch war eine gute Gelegenheit, mein Wissen über ihr
Leben und das ihres Mannes zu erweitern. Während sie Tee einschenkte, das ließ sie sich als Gastgeberin nicht nehmen, erzählte sie: „Wir wohnten damals in Washington, D.C. Mein Mann und ich waren von Hawaii dorthin gezogen, um ein Buch zu schreiben.“


„Um welches Buch handelte es sich?“
„Es trug den Titel: „Japan Inside Out“. Darin wollte Syngman
Amerika vor den Japanern warnen. Einen Moment, ich finde es
gleich.“ Sie fuhr mit der Hand über die Buchrücken in einem großen
Regal voller Büchern und zog nach kurzer Suche eines davon
heraus. Es war auf Koreanisch geschrieben und ungefähr 250
Seiten stark. Darauf stand: „Autor: Syngman Rhee, übersetzt
von Jongik Lee.“


„War das Buch ursprünglich auf Englisch geschrieben?“
„Ja, denn es war für die Amerikaner bestimmt. So, wo soll ich
anfangen?“
In ihrer Erinnerung drehte sie das Rad der Zeit zurück …

Franziska an ihrer Schreibmaschine.

Mehr Informationen zum Leben von Franziska Donner-Rhee können Sie in unserer Neuerscheinung "Franziska - Erste 'First Lady' Koreas" nachlesen!

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1 Kommentar

Gratulation! Endlich Deutsche Ausgabe! Danke!

Sonja Steindl-Kwon

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